1990 hatte ich die wunderschöne Herausforderung den „Fliegenden Holländer“ mit Wolfgang Sawallisch, Julia Varady, dem jungen Peter Seiffert und Bernd Weikel an der Münchner Staatsoper zu inszenieren und das Bühnenbild zu gestalten. Wie von Richard Wagner vorgesehen entwarf ich ein Daland-Schiff und ein noch größeres Holländer Schiff - schließlich mussten ja ein Chor mit 80 Männern auf das Daland-Deck und noch einmal 60 weitere auf das Gespenster-Schiff passen. Die Staatsoper verwirklichte meinen Bühnenentwurf mit allen Details - aber nach der Premiere wurde mir klar wie unmöglich es ist auf einer Bühne reale Schiffe Wirklichkeit werden zu lassen... optisch funktionierte es nur, wenn die Schiffe für sich alleine dastanden - aber sowie die Mannschaft die Schiffe betrat, waren diese unproportional, einfach zu klein.Als Michael und ich 2015 den Auftrag bekamen den „Fliegenden Holländer“ in Japan zu realisieren war mir dieses Scheitern brennend in Erinnerung. Auch Wagners Vorgabe, das Holländer-Schiff aus der Tiefe über das Meer in wenigen Sekunden auftauchen zu lassen, so daß es sich mit einem komponierten Aufprall an das ankernde Daland-Schiff anlegt und es zuletzt mit Sentas Todes-Sprung in den Wellen versinken muss... das sind Wagners Regieanweisungen, die ganz neue Lösungsmöglichkeiten fordern. Eine Möglichkeit ist es, die von Wagner vorgegebenen Bilder spielerisch, surreal oder aber ohne Meer und ohne Schiffe zu übersetzen. Die Erzählung kann natürlich auch in einem bürgerlichen Wohnzimmer der Jahrhundertwende spielen oder in einem U-Boot - oder so dargestellt werden, daß Sentas Traum oder der schlafende Steuermann oder der todes-sehnsüchtige Holländer das Bühnen-Bild generiert - aber für mich war die reizvollste Lösung, ein reales Bild zu finden, das an die Zuschauer keine Fragen stellt.Als erstes baute ich ein Schiffsmodell - das Modell eines wirklichen Holländers - drei Masten, unendliche Takelage und rote Segel. Mit diesem Modell filmte ich in meinem Atelier das Herannahen, die verschiedenen Ansichten des Schiffes und den Untergang. Mit diesen Filmen, die ich wiederum in das Bühnen Modell hinein projizierte, entstanden die ersten Bühnen-Entwürfe.Mir schwebte ein immer sich bewegendes Bild vor. In Portugal filmte ich große Wellen und ziehende Wolken. So entstanden die ersten Bilder, die Ideen, wie die musikalisch fortlaufende Erzählung optisch umgesetzt werden kann.Wagner hat den Wind und die heranrollenden Wellen komponiert, er hat das Schwanken des Meeres musikalisch umgesetzt und durch die digitale 3D-Realisation war ein in der Dünung sanft rollendes riesiges Schiff, des Reffen der roten Segel, ein sich aufbäumendes Gespenster-Meer, der Regen und Sturm, der Südwind und zum Schluss ein musikalisch sanfter Sonnenaufgang umsetzbar. Drei sich überkreuzende Beamer realisierten technisch perfekt die Illusion von Schiff, Meer, Regen und Wind. Die Projektionen vermischten sich mit der real gebauten Bühne, so daß sich beleuchtetes Bühnenbild und 3D- Animation nahtlos ineinander verflochten.Auf der Bühne wurden keine Filme projeziert, sondern im Computer generierte Bewegungsabläufe. Dadurch war auch endlich die Möglichkeit gegeben, dass es die Musik ist, die verschiedenen Situationen einleitet: die Welle prallt musikalisch exakt auf das Schiff, das Wasser läuft dann über das Deck ab, die Segel setzen sich mit dem Befehl des Holländers und zum Schluss wird das Versinken des Holländers durch Sentas Sprung eingeleitet.Somit kann ein bewegtes Bild auf ein schnelles oder langsames Dirigat adäquat reagieren - ein zu früh oder zu spät, ein durch einen Filmablauf vorgegebenes Zeitmaß, gibt es nicht mehr. Die Bühnen-Handlung fügt sich der Komposition so unbemerkt, so selbstverständlich, daß das Publikum die optische Erzählung ungestört musikalisch erleben kann.Henning von Gierke